Kompromisslos kommunizieren

Vor ein paar Wochen nahm ich an einem Audiokurs des ehemaligen Verhandlungsführers des FBI Chris Voss teil. Das Thema des Kurses lautete: Kompromisslos verhandeln. Chris ist der festen Überzeugung, dass es besser ist, den Deal sein zu lassen, als einen Kompromiss einzugehen. Damit stemmt er sich gegen die weit verbreitete Win-Win-Managementlehre, die besagt, dass man Kompromisse eingehen muss, wenn man beide Verhandlungsseiten zufrieden stellen will.

 

Im ersten Moment widersprach mir der Ansatz von Chris, aber als er ihn weiter erläuterte und mit realen Fallbeispiele aus seiner Karriere als Verhandlungsführer des FBI untermauerte, konnte er mich mehr und mehr für seine Sicht der Dinge gewinnen. Chris konnte es sich bei seinen Verhandlungen nämlich nicht leisten einen Kompromiss einzugehen, denn bei seinen Verhandlungspartnern handelte es sich in der Regel um Terroristen, Entführer oder auch Menschen, die einfach nicht mehr ein oder aus wussten und auf sich aufmerksam machten, indem sie andere Menschen bedrohten.

 

Ich meine, einen Kompromiss, der da lautete „Ich lasse fünf der zehn Geiseln gehen und die anderen erschieße ich“, konnte sich Chris nicht leisten. Er wollte, nein er musste all zehn heil und gesund in der Freiheit wissen. Aus diesem Grund musste er Kommunikationsmethoden entwickeln, die sein Gegenüber dazu veranlassen das zu tun, was Chris wollte. Und das gelang Chris dann auch.

 

Heute ist er in der freien Wirtschaft tätig und bezieht Tageshonorare von 25.000 USD. Spätestens hier hatte er mich dann. Wenn jemand ein Tageshonorar von 25.000 USD verlangen kann, dann muss das, was er zu sagen hat, Hand und Fuß haben. Nachfolgend möchte ich mit Dir meine zentrale Erkenntnis des Kurses teilen.

Das ganze Leben besteht aus Verhandlungen. (Bild: bunyaritklinsukhonphotos/canva)

Chris stellt bei Verhandlungen immer wieder fest, dass die meisten Menschen nicht in der Lage sind ihre Wünsche exakt zu artikulieren, wenn ihnen nicht die richtigen Fragen gestellt werden. Die Welt teilte Steve Jobs nicht mit, dass sie einen iPod wollte. Er deckte die Bedürfnisse der Menschen mit gezielten Fragen auf, was ihm half Innovationen hervorzubringen.

 

Doch einfach nur zu fragen „Was wollt ihr“ oder „Was braucht ihr“, reicht nicht. Das wusste auch Henry Ford bereits: „Wenn Sie die Leute gefragt hätten, was sie wollten, hätten sie schnellere Pferde gesagt.“ Man kann zwar auch Pferde hochzüchten, doch irgendwann ist das Maximum an Endgeschwindigkeit erreicht und gleichzeitig wird das Pferd unerschwinglich teuer. Also musste Ford erfragen, was das eigentliche Bedürfnis hinter dieser Antwort ist. Und dies geht am besten, wenn man gezielte, offene Wie- und Was-Fragen stellt. Solch ein Gespräch hätte wie folgt aussehen können:

 

Ford: Wieso wünschen Sie sich ein schnelleres Pferd?

 

Potenzieller Kunde: Weil ein Pferd flexibler als die Eisenbahn ist und auch an entlegenen Orten operieren kann. Und ich möchte schneller reisen können.

 

Ford: Was gibt es noch an Aspekten, die Sie an einem Pferd schätzen?

 

Potenzieller Kunde: Es ist relativ günstig in der Anschaffung und auch das Futter ist günstig.

 

Ford: Was stört Sie an einem Pferd?

 

Potenzieller Kunde: Es ist recht pflegeintensiv. Man muss es täglich füttern und auch bewegen. Der Hufschmied muss regelmäßig vorbeischauen. Darüber hinaus kann sich das Tier auch verletzen, was dann sehr teuer kommt. Bei einer ernsthaften Verletzung fällt das Tier für längere Zeit aus oder muss gar eingeschläfert werden. Und auch das Reisen ist nicht sonderlich komfortabel, wenn man nicht gerade eine Kutsche besitzt. Darüber hinaus müssen die Tiere bei einer längeren Strecke mehrfach Pause machen.

 

Ford: Wieso muss es dann zwingend ein Pferd sein?

 

Potenzieller Kunde: Ich weiß nicht? Gibt es denn noch etwas anderes?

Heute ist das Auto noch unser Fortbewegungsmittel Nummer eins. Zukünftig könnte es jedoch etwas anderes sein. (Bild: Abdulwahab Alawadhi/Pexels)

Nach solch einem Gespräch hatte Ford einiges an Informationen gewonnen. Ein paar weitere Gespräche später, wusste er, dass das keine einmalige Sicht der Dinge ist. Und er wusste, was sich die Menschen tatsächlich wünschen, nämlich kein schnelleres Pferd, sondern: Sie wollten komfortabel und schnell reisen. Dabei sollte das Gefährt erschwinglich im Preis sein und günstig im Unterhalt. Wenn es nicht gebraucht wird, dann sollte man es auch nicht füttern oder bewegen müssen. Und es sollte zuverlässig sein. Wenn es kaputt geht, dann sollte man es reparieren können, und zwar so, dass die ursprüngliche Leistung wieder vollständig abrufbar ist. Naja, und der Rest ist Geschichte.

 

Die Grundmethode von Chris und allen anderen Verhandlungsprofis besteht daher darin Fragen zu stellen. Fragen, mit denen sie die Bedürfnisse ihres Gegenübers identifizieren und diese dann gezielt einsetzen können, um ihr Gegenüber in eine bestimmte Richtung zu bewegen.

Auch betont Chris, dass die Situation unser Problem ist. Unser Gegenüber ist unser Partner, mit dem wir zusammen das Problem lösen.

 

Und noch was: Das ganze Leben ist eine Verhandlung und es gewinnt der, der kompromisslos kommuniziert. Das gilt für die Entwicklung von Innovationen, für die Digitalisierung von Unternehmen und für die Führung von erfolgreichen Beziehungen.

 

 

 

(Titelbild: sasint/pixabay)

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