Es gibt gewisse Kompetenzen, für die wir andere Menschen beneiden, weil wir sie selbst nicht besitzen. Ich habe in meiner Jugend z.B. Altersgenossen beneidet, die Gitarre spielen konnten. Der Typ mit der Gitarre war lässig und cool und hat mit seiner Gitarre, die er gekonnt spielte, den Mädels den Kopf verdreht. In meiner Vorstellung konnte er jedes Mädel haben. Später sattelte ich dann um und begeisterte mich für das Klavier. Ich stellte mir vor, wie ich als Virtuose in einen weißen Anzug gekleidet mich an den Flügel setze, der in der Empfangshalle eines Grand Hotels steht, und mit meiner Kunst den Hotelgästen eine unerwartete musikalische Erfahrung bereite.
Leider hat es bei mir dann nur für einen Blockflötenunterricht gereicht. Blockflöte, nicht gerade das Instrument, mit dem man die Herzen der Mädels höherschlagen lässt, dachte ich mir damals und hängte die Sache an den Hacken. Doch glücklicherweise gab es da noch eine dritte Kompetenz, für die ich die Menschen beneidete, die sie beherrschten. Es handelt sich um die Kompetenz sich Witze und Anekdoten zu merken, um sie dann bei einer passenden Gelegenheit abrufen zu können, um eine Situation oder ein Gespräch mit einem todsicheren Lacher oder einem plastischen Bild zu bereichern.
Es hat drei oder vier Jahre gedauert, jede Menge Überwindung gekostet vor anderen zu performen und Systematik zur Erstellung mehrerer Witze-Listen erfordert, aber es hat sich gelohnt. Heute kann ich sagen, auch mit ein bisschen Stolz, dass mich andere für diese Kompetenz beneiden. Eine Kompetenz übrigens, die sich auch wunderbar auf die Entwicklung und das Halten von Vorträgen oder das Auflockern von Texten übertragen lässt.
Anekdoten, Witze und Geschichten helfen uns dabei komplexe Dinge verständlich und greifbar darzustellen. Und manchmal kann uns selbst ein einfacher Witz zum Nachdenken anregen. (Bild: kanchanachitkhamma/canva)
Ich bin von Haus aus Ingenieur. Und wir Ingenieure haben eine eigenartige Sicht auf die Welt:
Während der Optimist sagt: „Das Glas ist halb voll.“
Der Pessimist erwidert: „Das Glas ist halb leer.“
Stellen wir Ingenieure fest: „Das Glas ist doppelt so hoch wie es sein müsste.“
Ein möglicher Rückschluss aus dieser Anekdote: Es ist alles eine Sache der Perspektive. Betrachte die Dinge so, wie sie sind. Die Situation ist wie sie ist. Sie ist weder gut noch ist sie schlecht. Die Frage ist, was Du aus der Situation machst. Ich meine, mehr als ein volles Glas geht nicht, oder?
Letztens erzählte mir ein Kollege den folgenden Witz:
Was macht ein Pädagoge im Dunkeln?
Reflektieren.
Ein todsicherer Lacher. Ich habe ihn seitdem mehrfach mit unterschiedlichstem Publikum getestet. Aber es steckt auch etwas Weisheit in dem Witz. Uns allen tut es gut, wenn wir unsere Handlungen von Zeit zu Zeit reflektieren. Wohin führt uns der Weg, wenn wir ihn weiter beschreiten? Ist es das, was wir wollen? Wird uns das Endergebnis Freude bereiten? Welche Möglichkeiten (Wege) gibt es noch? Ist einer dabei, der besser zu mir passt? Für welchen würde ich mich entscheiden, wenn ich wüsste, dass ich Erfolg haben werde?
Die Fragen sind universell und auf alle Lebensbereiche und Themen übertragbar. Man könnte das Du auch durch ein Wir ersetzen, z.B. wenn es sich um eine Unternehmung handelt.
(Titelbild: aditya/ryali-aditya-vardhans-images)
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