Disrupt Yourself

Was machst Du, wenn der Wert Deiner Tätigkeit mit einem Mal auf null sinkt? Keine so einfache Frage, oder? Es ist eine Frage, die das Ungewisse und das Neue adressiert. Beides Dinge, mit denen wir Menschen nicht so einfach können. Was nicht überraschend ist, sind wir doch Gewohnheitstiere. Wenn ich bei Vorträgen die Frage stelle, wer Veränderungen wichtig und sinnvoll findet, um zukünftig zu bestehen, heben die meisten Menschen den Arm. Wenn ich dann jedoch die Frage stelle, wer sich verändern möchte, nun, dann bleiben die meisten Arme unten.

 

Neben der Vorfreude auf etwas Neues, schwingt bei Veränderungen, deren Ausgang ungewiss ist, auch immer die Emotion Angst mit. Und das ist etwas, was wir Menschen unbedingt vermeiden wollen. Aus dem Investmentkontext weiß ich, dass die Angst vor einem Verlust doppelt so schwer wiegt, als die Freude über einen Gewinn in selber Höhe. Wir Menschen sind seit jeher darauf konditioniert in erster Linie Angst (Schmerz) zu vermeiden. Und erst wenn wir uns in Sicherheit wissen, lassen wir das Gefühl von Freude zu.

 

Das ist einer der Gründe, warum es etablierten Unternehmen schwerfällt Disruptoren (Angreifern) die Stirn zu bieten. Schlussendlich ist ein Unternehmen die Summe seiner Beschäftigten und wenn diese, aus welchen Gründen auch immer, Angst vor Veränderungen haben, dann wird es die Unternehmensleitung sehr schwer haben das Unternehmen zu transformieren.

Was befindet sich auf der anderen Seite der Brücke? Der Nebel macht die Überquerung der Golden Gate Bridge zu einer Fahrt ins Ungewisse. Doch wenn man sie nicht antritt, findet man nie heraus, was einen auf der anderen Seite erwartet. (Bild: Life Of Pix/Pexels)

Die Botschaft der Disruptoren ist jedoch unmissverständlich: „Zerstört euer Stammgeschäft, bevor wir es tun.“ Diese Zerstörung fällt den Disruptoren besonders leicht, weil sie ursprünglich nicht aus der Branche kommen, die sie angreifen. Sie haben die bestehenden Strukturen und Prozesse nicht aufgebaut und dadurch hängen sie auch nicht an ihnen. Ganz anders sieht es bei den etablierten Unternehmen aus. Sie haben die Branche seit Jahren, wenn nicht sogar Jahrzehnten mitgestaltet. Dadurch hängen sie emotional an dem, was sie geschaffen haben. Was mit unter der Grund ist, warum etablierte Unternehmen eher inkrementelle Innovationen hervorbringen, als den großen disruptiven Wurf zu machen.

 

Das macht es den Disruptoren leicht Ineffizienzen in bestehenden Branchen ausfindig zu machen und sich darauf zu stürzen. Nehmen wir das Beispiel Uber. Das Unternehmen mischte erfolgreich den nordamerikanischen Taxi-Markt auf, weil die Gründer unteranderem erkannten, dass die Taxis den Großteil der Zeit eigentlich nur rumstehen. Das ist jedoch sehr ineffizient, da dabei kein Geld verdient wird. Damit sich das Geschäft jedoch trotzdem lohnt, wird auch die Leerlaufzeit der Taxen auf die Beförderungsgebühr draufgeschlagen. Die Fahrgäste bezahlen also für etwas, wovon sie gar keinen Nutzen haben. Auf der anderen Seite gibt es Stoßzeiten, in denen es sehr schwer ist in Manhattan ein Taxi zu bekommen. In solchen Zeiträumen lässt sich das Vielfache der eigentlichen Beförderungsgebühr verdienen. Gepaart mit einem intelligenten Algorithmus lässt sich sogar voraussehen, wo und wann sich solche Zeiträume ergeben. Und da Uber keinen eigenen Fuhrpark mit Personal unterhalten muss, sondern Privatpersonen, die sich etwas dazuverdienen wollen, für sich eingespannt hat, konnte es sehr schnell in den Taxi-Markt einsteigen.

 

Auf dieser Basis gelang es Uber erfolgreich sich zwischen die Taxiunternehmen und den Fahrgästen zu schieben. Das Einzige, was die Taxiunternehmen Uber entgegenzusetzen hatten waren Demonstrationen seitens der Taxifahrer*innen, Gejammer darüber wie unfair das Geschäftsmodell von Uber gegenüber ihnen ist und das Unternehmen zu verklagen. Der Beweggrund: Angst.

Taxen haben eine lange Leerlaufzeit, in der kein Geld verdient wird. Diese Ineffizienz hat das Unternehmen Uber genutzt, um die Branche erfolgreich anzugreifen. (Bild: Life Of Pix/Pexels)

Was kann die Unternehmensleitung tun, wenn sie ihre Belegschaft zur Transformation bewegen möchten? Nun, die Botschaft der Disruptoren sollte keineswegs unter den Teppich gekehrt werden. Stattdessen sollte die Unternehmensleitung sie aufgreifen und klar an ihre Belegschaft kommunizieren: „Entweder wir greifen unser bestehendes Geschäftsmodell selbst an oder andere tun es.“

 

Gleichzeitig sollte jedoch auch eine zweite Botschaft kommuniziert werden: „Digitalisiert euch so gut es geht, aber zerstört nicht das bestehendes Geschäftsmodell, sondern pflegt es. Macht es mit digitalen Mitteln so erfolgreich wie möglich, denn vielleicht sind die Disruptoren auch auf dem Holzweg. Parallel dazu bauen wir jedoch neue, disruptive Geschäftsmodelle mit Leuten auf, die einen frischen Blick auf unsere Branche haben. Ihr habt persönlich viel davon, wenn wir uns auf diese Weise selbst angreifen. Denn je besser es läuft, desto höher die Chance, dass wir uns auch besser um euch kümmern können. Niemand hat etwas davon, wenn der Wert unserer Tätigkeit auf null sinkt und wir nichts dem entgegenzusetzen haben.“

 

Die Leute sind nicht dumm. Sie wollen auch nicht für dumm verkauft werden. Die Belegschaft braucht klare, ehrliche Ansagen. Die wichtigste Botschaft der Unternehmensleitung sollte also lauten: „Ich kümmere mich um euch, aber ihr müsst auch Leistung bringen.“

 

 

 

(Titelbild: kanchanachitkhamma/canva)

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