Geschäftsmodellinnovation

Ein und dieselbe Produktidee kann floppen oder ein Hit werden, je nachdem mit welchem Geschäftsmodell man sie paart. Aus diesem Grund legen Startup Acceleratoren und Inkubatoren, wie z.B. der Hafven oder die Venture Villa aus Hannover, bei den Startups, die an ihren Batches und Finanzierungsrunden teilnehmen, besonderen Fokus auf das Geschäftsmodell. Ich bin der Meinung, dass die Geschäftsmodellentwicklung jedoch nicht nur etwas für Startups ist, sondern auch für bereits etablierte Unternehmen und das ganz gleich aus welcher Branche sie kommen.

 

Das Problem ist, dass sich leider nur wenige Unternehmen Gedanken über das passende Geschäftsmodell machen. In dem Buch „The Business Model Navigator“ von Oliver Gassmann (Senior Professor an der Universität St. Gallen) bin ich vor diesem Hintergrund auf eine interessante Statistik gestoßen. Von den 100 Prozent, die multinationale Unternehmen in Innovationen investieren, gehen 90 Prozent in die Produktinnovation und nur zehn Prozent in die Geschäftsmodellinnovation. Jetzt könnte man meinen, dass diese multinationalen Unternehmen schon wissen, was sie tun. Die Geschichte zeigt uns jedoch, dass das mitunter nicht der Fall ist.

 

Wenn wir den Börsenerfolg eines Unternehmens als ultimativen Erfolgsfaktor heranziehen, dann stellen wir fest, dass z.B. von den ursprünglich 12 Unternehmen (American Cotton Oil, American Sugar, American Tobacco, Chicago Gas, Distilling & Cattle Feeding, General Electric, Laclede Gas, National Lead, North American, Tennessee Coal and Iron, U.S. Leather, and U.S. Rubber), die beim Aufsetzen des Dow Jones Industrial Average (DJIA) 1896 im Index enthalten waren, heute kein einziges mehr im Index gelistet ist. Zum Zeitpunkt des Aufsetzens des DJIA waren diese Unternehmen die Titanen der US-amerikanischen Wirtschaft. 1928 wurde der DJIA dann auf 30 Unternehmen erweitert. Heute sind auch die meisten dieser Unternehmen von der Bildfläche verschwunden.

Ein und dieselbe Produktidee kann floppen oder ein Hit werden, je nachdem mit welchem Geschäftsmodell man sie paart. (Bild: Hermann/pixabay)

Oder nehmen wir das konkrete Beispiel Nokia und Apple. Die Verantwortlichen bei Nokia glaubten, dass sie ein großartiges Produkt hatten, bis sie Steve Jobs am 29. Juni 2007 eines Besseren belehrte. In Wahrheit verpassten sie nämlich den Trend zum Smartphone und dem damit verbundenen neuen Geschäftsmodell, bei dem Software, Hardware und Plattform miteinander kombiniert wird, so wie ich es in meinem Beitrag „Deutschland: Die Werkbank der Digitalkonzerne“ beschreibe.

 

Normalerweise propagiere ich an solchen Stellen, dass man das Spiel des 21. Jahrhunderts nicht mit den Spielregeln des 20. Jahrhunderts gewinnen kann, doch in diesem speziellen Fall können wir uns das ein oder andere auch von Unternehmen aus dem 20. oder sogar 19. Jahrhundert abschauen. Unabhängig davon, ob sie noch existieren oder nicht. Die These lautet nämlich: Das Produkt kann noch so gut sein, wenn es jedoch mit dem falschen Geschäftsmodell kombiniert wird, ist es ein Flop.

 

Gassmann beschreibt in seinem Buch 55 Geschäftsmodelle, die 90 Prozent der Geschäftsmodelle der erfolgreichsten Unternehmen weltweit abbilden. Darunter sind Modelle wie „Additional charge for extras“, das für den Erfolg der Billigfluglinie Ryanair verantwortlich ist. Das Flugticket als solches ist günstig, jedes weitere Extra (Fensterplatz, Mitnahme eines Koffers etc.) kostet extra, und das nicht gerade wenig. Oder „Razor and Blade“, das von dem Rasierklingenhersteller Gillette 1904 erfolgreich eingeführt wurde. Einer der Väter dieses Geschäftsmodelles ist John D. Rockefeller, der bereits 1880 günstige Öllampen verkaufte und teilweise verschenkte, um anschließend die Nutzer*innen der Öllampen mit margenstarkem Lampenöl zu versorgen.

Bei der Entwicklung eines Geschäftsmodells lohnt sich ein Blick in die Vergangenheit. So Übernahmen zahlreiche Unternehmen der Gegenwart erfolgreich das von John D. Rockefeller mitentwickelte Geschäftsmodell "Razor and Blade". (Bild: klimkin/pixabay)

Unternehmen, die dieses Geschäftsmodell erfolgreich übernahmen, sind z.B. Hewlett-Packard, Apple und Nestlé Nespresso. Nestlé Nespresso ging sogar so weit und kombinierte dieses Geschäftsmodell mit einem weiteren (Lock-in), sodass Nutzer*innen der Nespresso Maschinen (günstig in Herstellung und margenschwach) nur Nespresso Kapseln (margenstark und hoch profitabel über die Lebensdauer der Maschine) nutzen können. Die Nutzerinnen und Nutzer kommen nur aus dem System raus, wenn sie die Maschine wechseln.

 

Das Problem der deutschen Industrie ist es, dass Ingenieure es nicht gewohnt sind in Geschäftsmodellen zu denken. Was nicht weiter verwunderlich ist, da ihnen immer wieder eingetrichtert wird, dass, wenn das Produkt großartig ist, der Rest, der Erfolg sich fast automatisch einstellen wird. Was nicht der Fall ist, wie die Liste der im DJIA gelisteten Unternehmen zeigt.

 

Ein prominentes Beispiel ist z.B. Microsoft. Es ist gar nicht so lange her, das Microsoft, das heute wieder als innovativ gilt, sich auf dem absteigenden Ast befand. Bis dann 2014 Satya Nadella zum CEO ernannt wurde. Bis zu diesem Zeitpunkt verkaufte Microsoft seine Produkte größtenteils direkt oder über den Einzelhandel und war Drum und Dran den Trend zur Cloud zu verpassen. Nadella stellte das Geschäftsmodell auf Abo um und tätigte massive Investitionen in die Cloud-Technologie. Heute ist Microsoft sowohl nach wie vor im DJIA gelistet als auch hochprofitabel unterwegs.

 

 

 

(Titelbild: bongkarn thanyakij/Pexels)

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