Digital Detox

Die Digitalisierung ist ein Fluch. Die Hans Böckler Stiftung hat 2018 eine Studie durchgeführt, an der 2.640 Erwerbstätige teilgenommen haben. Das Ziel der Studie war es, herauszufinden wie stark die deutschen Beschäftigten am digitalen Stress leiden und welche Faktoren den digitalen Stress begünstigen.

 

Die Studie führte zehn Kernergebnisse zu Tage, die vier Jahre später nach wie vor existent sind und mittlerweile wenig überraschen. Die vollständigen Ergebnisse kannst Du hier nachlesen. An dieser Stelle möchte ich nur ein paar herausgreifen. Unter anderem konnte festgestellt werden, dass digitaler Stress mit einer deutlichen Zunahme von gesundheitlichen Beschwerden einhergeht.

 

Bandscheibenvorfälle, Essstörungen und Burn-outs sind längst keine Alterserscheinungen mehr, sondern immer öfter auch bei jungen Menschen anzutreffen und auf digitalen Stress zurückzuführen. Digitaler Stress ist bei 25- bis 34-jährigen sowie den 35- bis 44-jährigen Beschäftigten am stärksten ausgeprägt. Den geringsten digitalen Stress empfinden die Beschäftigten ab 64, warum bloß? Nun, kurz vor der Rente würde ich mich auch nicht mehr von einer IT-Umstellung stressen lassen.

 

Auch vermindert digitaler Stress die berufliche Leistungsfähigkeit. Überraschend ist das Ergebnis, dass der Digitalisierungsgrad des Arbeitsplatzes nicht allein ausschlaggebend für das Level an digitalem Stress ist.

 

Laut der Techniker Krankenkasse beklagen sich bereits 67 Prozent der Bundesbürger über Stress, ständige Hektik und Unruhe (TK-Stressstudie). Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass sich die Welt um uns herum immer schneller zu drehen scheint. Und das Schlimme ist, dass wir selbst dafür verantwortlich sind. Auf dem Weg zur Arbeit in der Straßenbahn schonmal die ersten beruflichen E-Mails checken. Dabei fällt uns ein, dass die beste Freundin morgen Geburtstag hat, also bestellen wir schnell noch ein Geschenk auf amazon.de, damit es bereits heute Nachmittag bei uns ankommt.

 

Am Bahnhof angekommen holen wir uns eine Green Latte Macchiato vom Starbucks und eilen ins Büro zum ersten Meeting des Tages. Während des Meetings erreicht uns auf unserem Smartphone bereits die erste Notifikation von amazon.de, dass unsere Bestellung eingegangen und bearbeitet wird. Anschließend folgen einige Popups der Influencer*innen auf Instagram, denen wir folgen. So geht es dann den ganzen lieben Tag weiter. Und natürlich fühlen wir uns gerade zu genötigt jedes Mal unser Smartphone in die Hand zu nehmen, sobald eine neue Notifikation eingeht. Kurz um: Internet und Social Media machen süchtig.

 

Es ist entscheidend zu verstehen, was in unserem Körper vor sich geht, sobald eine neue Notifikation auf dem Display unseres Smartphones erscheint. Denn jedes Mal, wenn das passiert, schüttet unser Körper das Hormon Dopamin aus, das als Botenstoff des Glücks bekannt ist. Und wer möchte schon nicht glücklich sein? Aufgrund unserer Glückserwartung über einen Like oder Kommentar zu einem Post, den wir im Internet abgesetzt haben, greifen wir automatisch zum Smartphone. Über den Tag verteilt nehmen wir so regelrecht ein Dopaminbad, das uns eben süchtig machen kann. Aber eben auch zu all den Problemen führt, die ich zuvor beschrieben habe.

Aufgrund unserer Glückserwartung werfen wir immer wieder einen flüchtigen Blick auf unser Smartphone und lenken uns so von der aktuellen Tätigkeit ab. (Bild: Andrea Piacquadio/Pexels)

Da ich diesen Mechanismus aus erster Hand kenne, möchte ich hier Aufklärungsarbeit leisten und Wissen teilen, wie man trotz der ganzen Ablenkungen maximal produktiv sein und den digitalen Stress reduziert kann.

 

 

#1 Blockzeiten einrichten

 

Ich habe es mir angewöhnt meine Arbeit in Blockzeiten zu organisieren. Ein Block hat dabei den Aufbau 60-60-20. Ich gebe 50 Minuten lang Gas und bin maximal auf die vor mir liegende Tätigkeit fokussiert. Anschließend mache ich eine 10 Minuten Pause, während der ich mich bewege und mir einen frischen Kaffee zubereite.

 

Wichtig! Während der Pause wird das Smartphone nicht angetastet. Höchstens um den Pausen-Timer auf 10 Minuten zu setzen. Anschließend gebe ich wieder 50 Minuten Gas und mache wieder 10 Minuten Pause. In Summe habe ich so zwei Sprints á 50 Minuten fokussierter Arbeitszeit zuzüglich unterstützender Pausen hinter mir. Die anschließenden 20 Minuten nutze ich dann, um in der Zwischenzeit eingegangenen Telefonate zu beantworten oder mir eine etwas längere Pause zu gönnen.

 

 

#2 Flugmodus aktivieren

 

Während der 120 Minuten kann man mich nicht erreichen. Weder telefonisch noch per Mail oder Chat. Hier bin ich knallhart, weil ich während der Sprints den Shit gemacht haben will. Wenn auch Du den Shit gemacht haben willst, empfehle ich Dir den Flugmodus zu aktivieren oder noch besser auf „Nicht stören“ zu schalten, wodurch alle Notifikationen nicht mehr von einem aufleuchtenden Display oder Vibrationsalarm angekündigt werden. Im Anschluss an die Blockzeit kannst Du diese ja immer noch prüfen.

 

 

#3 Elefanten zuerst einplanen

 

Mein Coach brachte mir bei, dass ich der alleinige Herr über meine Zeit bin, und das sollte ich nicht aus der Hand geben. Aus diesem Grund plane ich am Ende einer Arbeitswoche bereits die nächste. Dabei sind mir besonders meine Elefanten wichtig. Das sind die 2-3 Aktivitäten, die ich in der nächsten Woche auf jeden Fall gemacht haben will. Für heute habe ich mir z.B. vorgenommen diesen Netzbeitrag zu schreiben. Hierfür habe ich mir bereits letzte Woche eine Blockzeit in meinen Kalender gelegt.

Die Elefanten sind die wichtigsten 2-3 Aktivitäten, die wir unbedingt erledigt haben wollen. Daher sollten wir sie zuerst in die Woche einplanen und sie entschlossen verteidigen. (Bild: Pexels--2286921/pixabax)

Wenn Du Deine Elefanten bereits im Voraus planst, dann müssen sich alle anderen um Deine Elefanten herum organisieren. Und zwischen Elefanten ist nun mal nicht so viel Platz. Im Umkehrschluss bekommst Du so nicht nur mehr Shit getan, sondern wirst auch deutlich weniger durch andere belästigt, weil dafür einfach kein Platz ist. Probiere es aus. Nach einer gewissen Zeit werden sich die Leute an Deine Elefanten anpassen, allein schon deshalb, weil die meisten nicht dominant genug sind, um für Terminkollisionen zu sorgen. Voraussetzung ist natürlich, dass Du Deine Elefanten verteidigst, diese sind nämlich trotz ihrer Größe einfühlsame Geschöpfe.

 

 

#4 Social Media Slots festlegen

 

Ich habe mir einen Social Media Slot von 50 Minuten am Abend eingerichtet. Während dieser Zeit beantworte ich meine privaten Mails sowie Chats und nehme mir die Zeit zu Recherchieren und ein bisschen im Internet zu surfen. So lässt sich die Überflutung mit Informationen steuern und minimieren. Mit meinen beruflichen E-Mails halte ich es übrigens ähnlich. Diese beantworte ich einmal morgens und einmal nach der Mittagspause.

 

Hier halte ich mich an das Vorgehen von Napoleon Bonaparte, der seine Post nur einmal im Monat prüfte. Die meisten Dinge hatten sich dann bereits erledigt. Du wirst es nicht glauben, aber auch hier fangen die Leute nach einer gewissen Eingewöhnungszeit an sich nach Dir zu richten. Und wenn es wirklich etwas Wichtiges ist, so können die anderen immer noch zum Hörer greifen.

 

 

#5 Notifikationsfunktion ausschalten

 

In diesem Zusammenhang steht auch dieser Tipp. Ich habe die Notifikationsfunktionen für all meine Kommunikations-Apps ausgeschaltet. Dies hat den Vorteil, dass ich zwischendurch nicht in Versuchung komme diese doch zu lesen oder zu beantworten. Stattdessen nehme ich mir bewusst einen Zeit-Slot, an dem ich die Mitteilungen prüfe. Da ich sie auf dem Homedisplay nicht sehe, muss ich bewusst die Apps öffnen. Durch dieses Vorgehen kann mich nichts von meiner aktuellen Tätigkeit ablenken oder aus der Bahn werfen. Ich bestimme also selbst über meine Zeit. Ist das nicht wahre Freiheit?

 

Bevor Du jetzt sagst, dass das bei Dir nicht funktioniert, möchte ich Dich bitten die Tipps einfach mal auszuprobieren. Wenn Du ein Clickworker bist, wie ich es bin, dann werden Dir die Tipps gute Dienste leisten. Und wenn es trotzdem nicht funktioniert, dann frag Dich, wie es funktionieren könnte. Das Leben ist zu kurz, um es nicht selbstbestimmt zu führen.

 

Also, ich bin ein begeisterter Verfechter der Digitalisierung. Ich bin davon überzeugt, dass wir im besten aller Jahrhunderte leben. Und dass das 21. Jahrhundert insbesondere durch die Digitalisierung uns zahlreiche Möglichkeiten bietet.

 

Die Digitalisierung ist also auch ein Segen, wenn wir sie für uns richtig nutzen. Ich hoffe, dass Dich dieser Beitrag dabei unterstütz maximal produktiv zu sein und die digitalen Chancen zu ergreifen, die sich Dir bieten.

 

 

 

(Titelbild: Valiphotos/pixabay)

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