Software ist die neue Verteidigung

Bei der Corona-Pandemie zeichnet sich ein Silberstreifen am Horizont ab. Nachdem die beiden Pharmaunternehmen Pfizer und BioNTech Anfang November die frohe Botschaft über einen möglichen Corona-Impfstoff veröffentlichten, atmete die ganze Welt und insbesondere die Börse ersichtlich durch. Dabei bescherten insbesondere die durch die Pandemie gepeinigten Aktien, wie z.B. Airlines, Automobilwerte oder Öl-Unternehmen ihren Investoren ein Kursfeuerwerk und viele Investoren wetten schon auf eine zügige Erholung der Wirtschaft.

 

Doch gleichzeitig lohnt ein Blick auf die vergangenen Monate, die die Welt, wie manche meinen, nachhaltig verändert haben. Monate, die nicht nur unseren Blick auf das Leben als solches verändert haben, sondern auch die Sichtweise, wie Investoren bestimmte Unternehmen zukünftig sehen sollten.

 

Im Zuge des ersten Lockdowns offenbarte die Pandemie nämlich eine große Schwäche von Unternehmen, die von vielen Investoren zuvor als krisenfest und konjunkturunabhängig gehalten wurden. Allen voran handelte es sich um Unternehmen mit planbaren Erträgen, einer soliden Finanzierung und einem eigentlich krisenfesten Geschäftsmodelle, wie z.B. Fielmann (Megatrend Demografie), Freenet (Kommunikation) oder Leifheit (Haushaltsprodukte). Wie gesagt, alle samt solide finanziert, beständige Erträge und hohe Ausschüttungsquoten. Die einzige Schwäche vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie ist, dass diese Unternehmen für den Absatz ihrer Produkte auf ein Filialnetz angewiesen sind. Und eben diese Filialen mussten im Zuge des Lockdowns schließen, wodurch der Absatzweg mit einem Mal trockengelegt wurde.

 

Zwar erholten sich die Aktienkurse der besagten Unternehmen mittlerweile weitestgehend wieder, jedoch können sie mit dem Kursfeuerwerk der Tech- und Softwareunternehmen, wie z.B. Amazon, Apple, Nvidia oder Adobe nicht mithalten.

 

So legte z.B. die Fielmann Aktie seit Mitte März eine Wurzelkurven-Entwicklung hin und steht zum Zeitpunkt, an dem ich diesen Beitrag schreibe, nach wie vor deutlich unter dem Höchstkurs von 75 Euro (kurz vor dem Lockdown), nämlich bei 65 Euro. Im gleichen Zeitraum legte die Nvidia Aktie ein Kursfeuerwerk von sage und schreibe 144 Prozent hin und notiert mit 439 Euro deutlich über dem Höchstkurs kurz vor dem Lockdown (290 Euro). Einen ähnlichen Verlauf, wie den von Nvidia, legten auch die Aktien von Amazon, Apple oder Shopify hin. Hintergrund dieser Kursfeuerwerke war unter anderem die Tatsache, dass während der Corona-Pandemie viele Unternehmen die längst überfälligen Investitionen in ihre IT-Infrastruktur nachholten und gleichzeitig die schwierige Situation nutzten, um ihr Geschäftsmodell zu digitalisieren und ins Internet zu verlegen. Dies verschaffte den Unternehmen aus der Tech- und Softwarebranche einen Umsatzschub, da ihre Produkte und Dienstleistungen verstärkt nachgefragt wurden. Experten sprechen davon, dass die Pandemie die Digitalisierungsinvestitionen der kommenden Dekade auf wenige Monate raffte.

 

Bis hierhin kann man zusammenfassen, dass die Pandemie die bislang unbekannten Schwächen der defensiv ausgerichteten Unternehmen offenbarte und zum anderen der Digitalisierung der Wirtschaft einen unerwarteten Schub bescherte. Gleichzeitig konnte man bei den Profiteuren der Pandemie eine bislang von vielen Investoren übersehene Stabilität des Geschäftsmodells beobachten. Der Vorteil von Software ist, dass sie einmal entwickelt und dann an Millionen von Kunden gleichzeitig ausgeliefert werden kann. Darüber hinaus bezahlen die Kunden die Softwareprodukte nicht mehr einmalig, sondern in wiederkehrenden Zahlungen, was die Erträge der betroffenen Unternehmen planbarer gestaltet. Ein weiterer Vorteil liegt im Absatzweg. Anders als beim Filialgeschäft, das von dem Lockdown massiv getroffen wurde, wird Software in der Regel über das Internet ausgeliefert. So musste z.B. Fielmann während des Lockdowns teilweise über 80 Prozent Umsatzeinbußen einstecken, während der Umsatz des Internetriesen Amazon um 40 Prozent zulegte. Sicherlich ist Amazon kein reines Softwareunternehmen mehr, jedoch basiert der Absatzkanal der Produkte auf dem Internet und ein weiterer Werttreiber, die Cloud, wurde während der Pandemie stark nachgefragt.

 

Auch wenn das Gros der Investoren die Aktien von Amazon, Nvidia, Adobe & Co. derzeit mit einer hohen Volatilität in Verbindung bringt, entwickelten diese Unternehmen in den letzten Jahren Eigenschaften, die auch von konservativen Investoren geschätzt werden. Zu diesen Eigenschaften gehören unter anderem beständige und insbesondere planbare Erträge, eine solide Finanzierung mit Eigenkapitalquoten von bis zu 70 Prozent, hohe zweistellige Margen (Sicherheitspuffer), ein langfristig positiver Ausblick und, wie wir heute wissen, ein krisenfestes Geschäftsmodell.

 

Seit vielen Jahren gilt für die Tech- und Softwareunternehmen ein Zitat des Netscape-Erfinders Marc Andreessen als inoffizielles Motto: „Software is eating the world“ (Software isst die Welt). Die aktuelle Pandemie hat uns gezeigt, dass Software jedoch weit mehr als das tut.

 

Software ist eine Verteidigung.

 

Software ist ein Angriff.

 

Software ist ein Absatzweg.

 

Software ist ein Produkt.

 

Software ist eine Dienstleistung.

 

Software ist eine Wachstumschance.

 

Software ist ein Upgrade.

 

Software ist ein Mehrwert.

 

Software ist ein Umsatztreiber.

 

Software ist ein krisenfestes Geschäftsmodell.

 

Software ist eine Chance.

 

Was ist Software für dich? Es muss nicht gleich der große Wurf sein, aber eine Überlegung ist „Software“ allemal wert. Und von den großen kann man sich allerhand abschauen. Mein Lieblingsbeispiel in diesem Zusammenhang ist Gisbert Rühl, CEO des Stahlhändlers Klöckner & Co. Nach einem Besuch des Silicon Valleys im Jahr 2014 entschied sich Rühl sein Unternehmen zum Amazon des Stahlhandels zu machen. Anfangs belächelt, transformierte Rühl das Unternehmen in den letzten sieben Jahren zu einem Vorreiter im B2B-Stahlhandel, dass selbst die Ikonen des Silicon Valleys Klöckner als ein Paradebeispiel für die Digitalisierung eines B2B-Geschäftsmodells ansehen. So erzielte der Stahlhändler aus Duisburg während der Pandemie 42 Prozent seines Umsatzes über die eigens entwickelten digitalen Absatzkanäle, wie z.B. die XOM Materials Plattform, und kam damit ohne Staatshilfe durch die Krise.

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